Kategorie: Schule

  • Ideenschmiede Burger Hof

    „Fahren Sie geradeaus, dann biegen Sie scharf rechts ab.“ Die letzte Anweisung des Navigationssystems: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Es sind noch 200 Meter bis zum Burger Hof – dorthin, wo man sagt, dass Lernen anders funktionieren müsse, als es in Schulen noch immer der Fall zu sein scheint.

    Ich bin zur „Ideenschmiede“ eingeladen – einem Ort, an dem das Schulsystem erneut auf den Prüfstand gestellt wird. Hier wird gefeilt, hinterfragt, ausprobiert. Welche Herausforderungen angegangen werden und welche Ideen entstehen, möchte ich aus erster Hand erfahren.

    Ein strahlend sonniger Wintertag auf 1.400 Metern Höhe. Berghof-Idylle, steil abfallender Sonnenhang, ausladende Wiesen unterhalb, und oben im Steilhang der beginnende Fichtenwald. Hier treffe ich auf ein eingespieltes, engagiertes Team, das sich mit Leidenschaft um kleine und große Schüler:innen kümmert.

    Fast zehn Jahre sind vergangen, seit alles begann – seit der Burger Hof als Lernort ins Leben gerufen wurde. Der Ausgangspunkt war eine Schenkung, verbunden mit einem klaren Ziel: das Wohl von Kindern und Jugendlichen im Pustertal zu fördern.

    „Dass die Sozialgenossenschaft EOS diese Schenkung in das Netzwerk ‚Kooperation Pustertal‘ einbringt und die Entwicklung des Hofes in die Hände all jener legt, die mit Kindern und Jugendlichen im Pustertal arbeiten, verlässt gewohnte Bahnen“, schrieb einer der maßgeblichen Promotoren, Josef Watschinger, im Jahr 2016.

    Und jetzt stehe ich an diesem Ort, den Josef Watschinger, lange vor der Schenkung „als Wunschtraum in seinen Karteikasten gelegt hatte.“ So hat er das damals gesagt.

    Schon beim ersten Eindruck spüre ich, dass sich Schule und Lernen hier anders ereignen – an einem Ort, der so gar nicht nach Schule aussieht. Ursprünglich lebten hier Bauernsleute, die ihr hartes Leben auf 1400 Meter Höhe bewältigen mussten. „Die Möglichkeiten waren begrenzt, die Menschen damit beschäftigt, ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien zu sichern.“ (Heiner Nicolussi-Leck, EOS Sozialgenossenschaft)

    Heute ist es ein Ort des Lernens. Eine Woche lang findet hier die „Ideenschmiede“ statt – eine besondere Erfahrung für 26 Schüler:innen.

    Die „Ideenschmiede“ soll ein Raum sein, in dem Schüler:innen frei äußern können, was sie sich für ihre Schule wünschen. Ihre Gedanken und Gefühle finden Ausdruck in Skizzen, Zeichnungen, Skulpturen und gemalten Emotionen.

    „Die Affekte … sind die Wurzel des emotionalen Lebens, der seelischen Kraft“ (Nicolai Hartmann, 1949).

    Das Ziel ist damit klar: Affekte einbeziehen und das emotionale Empfinden berücksichtigen, um der seelischen Kraft Gewicht zu verleihen. Ohne seelische Kraft läuft wenig bis gar nichts.  Sie prägt unser Denken, unser Handeln, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen – in der Schule und darüber hinaus. Emotionen beeinflussen Motivation, Lernverhalten und das soziale Miteinander. 

    Bevor ich erfahre, was die jungen Leute zu sagen haben, begegne ich Alex, dem Koordinator der Schulprojekte – der Seele des Projekts Burger Hof. Im Hausgang des Wirtschaftsgebäudes mache ich das, was alle machen. Ich ziehe die Schuhe aus.

    Alex bringt mir den Cappuccino und bittet Gerd Innerebner, Strukturleiter und Angestellten der EOS, mir das Wirtschaftsgebäude und das Wohnhaus zu zeigen. Ich ziehe meine Schuhe wieder an und gehe in den Stall zu den Schafen. Der Geruch von Heu und Tieren umfängt mich, während ich entlang der Schafsriele gehe und aufmerksam lausche, wie die fünfzehn Schafe hier am Burger Hof betreut werden. Gerd öffnet die Tür, und die Schafe, begleitet von ihren kleinen Lämmern, strömen hinaus in den Schnee. Bald schon werden zwei Esel dazukommen und, wie könnte es anders sein, Hühner mit ihrem eigenen Stall.

    Zurück bei den jungen Leuten. An acht Stationen präsentieren sie ihre Ideen, Wünsche und Vorstellungen: Wie könnte eine andere Schule aussehen? Was fordert sie heraus? Was belastet sie? Eine Woche lang haben sie sich mit diesen Fragen beschäftigt. Seit Jahrzehnten wird darüber nachgedacht, wie Schule anders aussehen könnte – nun bin ich gespannt auf ihre Antworten. 

    Eine Signalglocke ertönt. Ich sehe mich um. Alle versammeln sich in einem Kreis. Alex hebt die Handfläche, die Seitengespräche flauen ab – jeder hier weiß, was zu tun ist. Eine erstaunliche Ordnung inmitten eines kreativen Ambientes

    Beziehungen, Lernorte, Ruhe und Wohlbefinden, Natur, Vielfalt im Unterricht, Innovation, Selbständigkeit und kompetente Lehrpersonen – das sind die acht Themen, die bearbeitet wurden. Jetzt werden sie vorgestellt.

    Lösungen aus der Sicht der Schüler: Pflege einer Kultur des Hin- statt des Wegschauens – Pflege eines wertschätzenden, offenen, transparenten Klassenklimas – Kritik akzeptieren und neue Ideen zulassen – Dialog auf Augenhöhe.

    Erst wenn diese Basis geschaffen sei, kann Bildung mehr sein als reine Wissensvermittlung und, was entscheidend sei, sie könne die Qualität des Wissens potenzieren. Deshalb seien Beziehungen kein Nebenschauplatz, sondern die Grundlage für erfolgreiches Lernen, fasst die Gruppensprecherin zusammen.

    Neben den Plakaten legen die Jugendlichen ihre Visualisierungen aus Skizzen, Zeichnungen und Skulpturen auf den Boden – so werden ihre Gedanken und Ideen nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar. Es ist die letzte Station, an der sie uns teilhaben lassen. Manche Botschaften sind rätselhaft und vielschichtig, andere direkt und unverblümt. Jedes Bild, jede Skulptur erzählt eine Geschichte: von Hoffnungen und Ängsten, von Wünschen und Zweifeln, von Wut und Rachegelüsten. Ein stiller, aber eindringlicher Dialog – manchmal anklagend, manchmal fordernd. Er zwingt dazu, genauer hinzusehen und die Zwischentöne nicht zu überhören.

    „Worte sind Schall und Rauch………“, schrieb Goethe – eine Feststellung, die in der Welt der Schule eine tiefere Bedeutung gewinnt, als es auf den ersten Blick scheint. Denn oft bleibt unausgesprochen, was Kinder und Jugendliche wirklich bewegt. Ihre Gedanken, Ängste und Hoffnungen verbergen sich hinter höflichen Antworten, ausweichenden Blicken oder dem stillen Schweigen, das im Klassenzimmer manchmal lauter ist als jede Debatte. Doch wo Worte versagen, finden Bilder einen Weg.

    Zeichnungen, Skizzen und Malereien enthüllen mehr vom inneren Erleben der Schüler:innen, als es Worte jemals könnten. Eine Skizze mit einem Sarg, einer Schlinge und einer Uhr – was sagt sie aus? Ist es Wut? Verzweiflung? Ein stiller Hilferuf? In Formen, Farben und Stilisierungen legen junge Menschen ihr Innerstes offen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Ihre Bilder sind Statements, roh und unverfälscht, und genau darin liegt ihre Kraft.

    Diese visuelle Sprache ist entscheidend, wenn es um die Reflexion von Beziehungen und Strukturen geht. Wie erleben Schüler:innen das System Schule? Wie empfinden sie das Miteinander? Welche Rolle spielen Lehrpersonen in ihrem Alltag – als Unterstützer oder als unüberwindbare Hürden? Ein Bild kann eine ganze Welt erzählen, eine unausgesprochene Wahrheit enthüllen, die zwischen den Zeilen verloren gehen würde.

    Es liegt an uns, hinzusehen. Nicht nur auf das Offensichtliche, sondern auf das, was sich in Schatten, Linien und Farbnuancen verbirgt. Denn wenn wir Bilder sprechen lassen, hören wir vielleicht zum ersten Mal wirklich zu.

    Mit dieser Botschaft verlasse ich den Burger Hof und lasse meine Eindrücke Revue passieren, während ich den Berg hinunterfahre.

    Inmitten aller Debatten über Bildungsreformen, digitale Innovationen und neue Unterrichtsformen wird oft übersehen, worauf es wirklich ankommt: die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Mir wird bewusst, dass sich um diesen Diskurs ein zentrales Thema rankt – ohne eine konstruktive, wertschätzende Beziehung bleibt Lernen wenig effektiv.

    Alle pädagogischen Konzepte, sei es reformpädagogische Ansätze, technologiegestütztes Lernen oder methodische Innovationen, können ihr Potenzial nur dann entfalten, wenn die Basis stimmt: gegenseitiges Vertrauen, Respekt und ein echtes Interesse an der Entwicklung der Schüler:innen. Eine Lehrperson kann noch so kompetent sein – fehlt die Beziehungsebene, bleibt das Wissen abstrakt und schwer greifbar.

    Bildung ist mehr als die bloße Vermittlung von Inhalten. Sie ist ein gemeinsamer Prozess, in dem junge Menschen nicht nur Wissen erwerben, sondern auch lernen, sich selbst und die Welt zu verstehen. Dazu braucht es Begleiter:innen, die nicht nur lehren, sondern auch zuhören, wahrnehmen und ein Umfeld schaffen, in dem sich Schüler:innen ernst genommen fühlen.

    Alles andere – technologische Fortschritte, moderne Lernkonzepte oder finanzielle Mittel – bleibt dieser Beziehung untergeordnet. Denn letztlich entscheidet nicht die Ausstattung eines Klassenzimmers über den Lernerfolg, sondern die Qualität der menschlichen Begegnung, die darin stattfindet.

    Hansjörg Rogger / 12.2.2025

  • Waydown

    Für die ummauerte Sicherheit von Waydown geben die Arbeiter ihre letzten Kräfte. „Why we build the Wall?“, heißt das Lied. Die Frage, die die Arbeiter aufwerfen, beantworten sie sehr energisch und unmissverständlich: „We build the wall to keep us free.“ „Wir bauen die Mauer, damit wir frei sein können.“

    Die Mauer verspricht Sicherheit, schützt sie doch vor den anderen, vor denen, die scheinbar nicht dazu gehören. „Working on the wall with all your might“, Eurydikes fatales Bündnis mit dem Teufel: „Ich habe getan, was ich tun musste“ sagt Eurydike. Und am Ende wird sie diesen Schritt bereuen. Aber zu spät. Eurydike hat der Verführung nicht standgehalten. Die Armut treibt sie ins Verderben.

    Ein herausforderndes Spiel mit einer suggestiv wirkenden Musik auf einer aufwendig gestalteten Bühne. Die Musikklasse der 5am im Team mit 60 Leuten hat ein engagiertes vom Anfang bis zum Ende durchchoreographiertes Broadway Stück auf die Bühne gebracht. Die Choreographie ist nicht in die Geschichte hineingesetzt – sie ist die Geschichte selbst. Keine einfache zudem, mit der man sich im Sessel genüsslich berieseln lassen kann. Angelehnt an den Mythos von Orpheus und Eurydike, werden Probleme unserer Zeit, verpackt in Folk- Blues- und Jazzmusik, dem Zuschauer einiges abverlangen. Die Musik – eine Gewaltanstrengung für das Team. Auch sie ist die Geschichte selbst. Sie führt hinauf in die Sphären der Freiheit und Liebe und hinunter in die düstere Welt des Abgrunds, der Vernichtung, des Machtmissbrauchs, der Blender und Verschwörer.

    Orpheus – Künstler, Poet und Musiker – will mit seiner Musik auch jene gewinnen, die der Dunkelheit verfallen sind. Er singt und spielt und betört die Menschen, auch Eurydike. Wer möchte nicht wie Orpheus singen, dem es einst gelang, selbst Bäume zum Weinen zu bringen mit seinem Gesang: „Alle Bäume werden mitsingen und ihre Äste werden sich herunterneigen und ihre Früchte um meine Füße legen…“ Eurydike kann es kaum erwarten – ihre Liebe erwacht: „Liebster Orpheus sag mir, wann es soweit ist.“ „Wenn ich mein Lied singe, wird es soweit sein. When I sing my song, all the riversˋll sing along…“ entgegnet Orpheus. Eine tiefe Liebe, doch der Hunger nagt und treibt sie ins Elend. Um der Not zu entweichen, hängt sich Eurydike an jeden Strohhalm, an verlockende Versprechungen.

    Eurydike, getrieben von Not und Entbehrung, geht trotz der Liebe zu Orpheus, dorhin, wo Dunkelheit herrscht – Kälte, Gewalt und Unfreiheit. Verführt, gelockt, missbraucht. „Eurydike!“ ruft Orpheus. „Wo ist sie?“ Hermes: „Bruder, was kümmert’s dich, du wirst eine andere Muse finden.“ Aber Orpheus will zu Eurydike, ganz unbedingt. „Warte auf mich, ich komme, ich komme mit dir, warte, warte, warte.“

    Ein Sturm zieht auf, und Orpheus schreibt an seinem Lied. „Ok, beende das Lied“ sagt Eurydike, „we need food, finish it quick. The wind is changin. There’s a storm coming.“ und Hermes, der Erzähler: „Poor Boy, working on a Song.“ Kunst und Liebe sind scheinbar schwache Gegner im Kampf gegen Niedertracht und Hass. Orpheus verliert. Das bittere Ende naht. Eurydikes Zuruf: „Bring mich heim!“ scheitert.

    Bedrückend eindrucksvoll gespielt ist die Szene in der Orpheus in der Unterwelt geschlagen und getreten wird. Beklemmend nah choreographiert. Es geschieht dies alles hier und jetzt – in der Ukraine, in Syrien – nur zwei Beispiele von vielen. Orpheus, der Hoffnungsträger, hat hier nichts zu suchen. Die andre Welt will Vernichtung, Repression, Züchtigung, Verlogenheit, Macht und Unterwerfung, Befehle und erzwungene Loyalität, sonst nichts. Veränderer sind unerwünscht und gefährlich. Sie bringen das System ins Wanken. Waydown ist von hier aus nur einige tausend Kilometer entfernt. Dort wo die Mächtigen tun und lassen, was sie wollen und wozu sie grad eben Lust haben.

    Choreographie und Inszenierung: Karin Mairhofer, Alex Messner / Musikalische Leitung: Ruth Burchia, Simon Mittermair / Audioregie: Peter Paul Hofmann / Lichtregie: Elch / Als Vorlage: „Hadestown“ von Anaïs Mitchell

    Hansjörg Rogger, Februar 2024, Musical des SOWI GymnasiumsFoto:HjR

  • ..und schon ist alles vorbei

    Facebook Eintrag vom 14. November 2019, 14.52 Uhr, der Bürgermeister der Gemeinde Bruneck: „Morgen alle Schulen geschlossen.“ ich saß am Mac Book. Die Facebookseite der Schule in der Seitenliste griffbereit. Instagram auch. Die Notiz im digitalen Register platziert. Zu viel Schnee, fast kein Durchkommen.

    Die 1am war jetzt in ihrem 2. Jahr, also die 2am. Und dieses 2. Jahr brachte viele Überraschungen. Vieles kam zu den internen Schwierigkeiten im 1. Jahr dazu. Ihr kennt sie, ich kenne sie. So als hätten junge Leute nicht schon genug am Hals. 

    Das mit dem vielen Schnee ging vorbei. Was aber 2020 begann, schien sich festgebissen zu haben. Für lange Zeit. Es war nicht mehr in unserer Lebensroutine inbegriffen. Am Anfang noch willkommene Abwechslung, aber bald schon war es diese nicht mehr.

    Aber das ist eine andere Geschichte. Und doch ist diese 1am, 2am und bis herauf zur letzten „am“ Teil dieser besonderen Geschichte. So kamen oft solche Fragen über WhatsApp: „Guten Morgen Herr Direktor! Ich hätte eine Frage, Alle meine Schulunterlagen sind noch in der Schule, und sie wären auch zuhause sehr hilfreich… Darf ich nach Bruneck fahren und in der Schule meine Unterlagen holen? Danke und alles Gute
    Lea Marie Steinwandter (2aM), 5.Mai 2020, 10.14 Uhr

    Damian Salzburger am 8. April, 2020, 16.48 Uhr, guten Tag Herr Direktor, ich habe von Teams mein Passwort vergessen. Einen Tag später, am 9. April 2020, 9.32 Uhr, hallo, ich habe das neue Passwort bekommen und gespeichert, danke.

    Die Klassensprecherin am 1.April, 2020, 20.53 Uhr: Guten Abend Herr Direktor! Wir die Klasse 2aM, wollten uns bei Ihnen melden um Ihnen unsere etwas kritische Situation zu schildern. Wir sind momentan sehr überfordert mit der Situation und den ganzen Aufgaben. Natürlich sind wir uns bewusst, dass dies eine Ausnahmesituation ist und dass dies für alle schwierig ist. Jedoch verlieren wir allmählich den Überblick. Das eigentliche Problem sind nicht nur die vielen Aufgaben, denn diese können wir irgendwie schon meistern. Doch mittlerweile erhalten wir Aufgaben über das Digitale Register, Google Classroom, Microsoft Teams oder Whatsapp Gruppen, und so kennen wir uns teilweise nicht mehr richtig aus und manchmal kommt es vor, dass wir Aufgaben übersehen. Wir versuchen unser Bestes, aber tun uns im Moment ziemlich schwer damit…..“

    13.27 Uhr am 24. Mai 2020, Caterina Declara: Guten Tag Herr Direktor, ich habe heute Nachmittag eine Schularbeit in Religion. Ich möchte die Schularbeit am Computer machen, damit es einfacher und unkomplizieter ist und nicht wie bisher am Handy. Mit dem Account, welchen ich im Februar bekommen habe, kann ich mich leider nur mit dem Handy einloggen. Könnten sie mir weiterhelfen? Danke! Um 15.17 Uhr schreibt sie: jetzt hat es geklappt.

    Und so ging es viele Male weiter. Morgens, vormittags, nachmittags, abends und, etwas weniger häufig, aber doch auch gelegentlich – des Nachts. Eine ganz neue Erfahrung, die gut tat.

    2019 war das Jahr mit „my melody“ Wettbewerbssieger! Ein Video, eine Eigenkomposition. „Etwas Kraftvolles“, stellte die Raika fest. Ich war, wie bei all diesen Meldungen, freudig berührt. Noch mehr überrascht hat mich die künstlerische Interpretation, die Klarheit in der Bild- und Textgestaltung und das Konzept dieser Melodie. „Kommt, erzählt mir eure Geschichte“, hat es geheißen und sie haben sie erzählt, so wie man ein Gedicht erzählt. Sie waren mitten drin, sie selbst als Teil ihrer Melodie. Erstaunlicherweise war das die Klasse immer – mitten drin. 

    Sehr vieles hat die Klasse angetrieben. Die Bühne war ein wichtiger Teil davon. Angetrieben vom Wunsch, der Schule mehr als gute Noten abzuringen. „In this Heart“ bis „thou of Lord“ und dazwischen „meine Deutschlehrerin“. Dann noch your melody“, „fiore di maggio“ und vieles mehr. Das war der Schlussakkord. Für kurze Zeit ließ mich vergessen, was wenige Tausend Kilometer von uns entfernt der kriegswütende Russe angerichtet hat und immer noch anrichtet.

    Es ist unschwer auszumachen, was diese 21 bewogen haben könnte, diese Liebeserklärung an ihre Deutschlehrerin zu erzählen. Noch viel unmittelbarer, als es die Melodie ohnehin schon war. Angetrieben auch vielleicht von der Lust am Fabulieren, gespickt mit Gedanken, Anektoden, und Pointen. Eure Deutschlehrerin, die ihre Lebensschule, wie sie selber sagt, auch im „Café am Rande……“, ihr wisst schon was ich meine, gefunden hat. 

    16mal waren es keine dunkelgrauen Lieder. „Tu che sei nata dove c’è sempre il sole…….e quel sole c’è l’hai dentro al cuore…” Und ich stelle mir vor, wie schrecklich es sein muss, gewaltsam nicht geboren werden zu dürfen, im Krieg nicht weit von uns entfernt.

    Es hat gut getan, euch zuzusehen und aufmerksam zu lauschen. Viele wichtige Dinge huschten da nicht einfach an mir vorbei. Kleine Dinge, scheinbar unscheinbare Dinge und doch ein Stückchen von dem, was die 21 antreibt.

    Rogger Johann Georg (Hansjörg), April 2023. Korrekturgelesen: ChatGPT / Abschiedserinnerungen des Schuldirektors Rogger

  • Danke für diese Herzklopfüberraschung

    Ich wollte nicht mehr da sein. Und ich war es dann doch. Ganz kurz noch – eine Erinnerung hat mich an gerade diesen Tisch gezogen. Den ganzen Abend war das so. Hier dieses sich Erinnern, dort ein anderes. Aber es war der Abend dann doch zu kurz, um überall hinzukommen, wo Erinnerungen haften.

    Katja hat mich angesehen. Der Blick – so hoffte ich – sei Zufall; ich saß halt grad und zufällig in dieser Richtung. Ein zweites Mal, der Blick so fest und nicht für mich – dachte ich. Katja las und dann wurde es mir doch lauter in meiner Brust. Es war, als ginge ich frühmorgens um mein Haus herum, sah wie sich die Knospen des Flieders, des Yasmins, des Geißblattes ans Licht herauskämpften. Ich sah, wie ich die vielen Weinbergschnecken vom Weg weg, ins feuchte Gras setzte. Die prallen Knospen und die fragilen Schneckenhäuschen – unprätentiöse Überraschung – jeden Morgen. 

    Bei Katja nun kam das Herzklopfen dazu. Unsere 5-Minuten-Geschichte ganz Nahe an der Big Band Bühne. 

    Ein Flow ging durch mich hindurch. Ich saß neben Renate und erzählte ihr mein tolles Erlebnis, das ich hatte, als ich ihr im Fernunterricht über die Schultern blickte. Albert Camus stand an. Und jetzt kam die Geschichte von Katja. „Endlich“ hat sie sie genannt. Ein paar Sekunden weggetreten, dann war ich wieder ganz da, mitten drinnen. Aufgewühlt schon, verlegen auch, bewegt – und wie! Voll zugewandt an das, was Katja so wunderbar niedergeschrieben hat.

    Hans-Jörg Rogger

  • Zum Weltlehrertag am 5. Oktober 2020 und ein Rückblick auf die dreieinhalb Monate im Lockdown

    Durch den Einschnitt im Frühjahr, als die Bildung andere Wege zu gehen hatte, gab es von Schüler*innen und Eltern, nach anfänglicher großer Skepsis, Überraschendes zu hören. 143 Schüler*innen haben sich in 572 Einträgen zu Wort gemeldet: Jetzt sind wir zum ersten Mal selbst gefordert; ich war gezwungen, mir die Tage präzise zu strukturieren; ich musste präziser lernen, um präziser Fragen stellen zu können;  ich vermisse das Vis a Vis mit den Lehrern;  es tut gut, nicht immer alles angeordnet zu bekommen; wie einfach war es doch, nur warten zu müssen, bis der nächste Auftrag kommt;  cool, ich kann endlich selbst entscheiden, was und wie lange ich heute lernen will; es war so ruhig in der Videokonferenz, es gab keine Seitengespräche, keine Störer und Chaoten, wenn ich wollte, konnte ich zuhören, mich störte niemand mehr;  meine Lehrer waren super, meine Lehrer waren für mich da;   es war super, dass wir uns zumindest über Videokonferenzen sehen konnten; es gab Lehrer, die das mit den Konferenzen nicht so gerne machten, und wir auf der Suche nach ihnen waren;  es gab in dieser Zeit sehr viel zu tun;  anfangs gab es zu viele Plattformen, dann als MS Teams kam, ging es sehr gut; mit den Videokonferenzen schwand mein Datenkontingent dahin, ich musste bei den Spielen anfangen zu sparen; ich möchte so gerne wieder in die Schule, die Freunde gehen mir ab; ich konnte mehr lernen, weil ich nicht so angespannt war; ich bin eigentlich ruhig, weil ich weiß, dass diese Situation nicht endgültig ist; am Anfang war der Druck der Lehrer schon schwer auszuhalten, viele meinten halt, ihr Fach sei das wichtigste;  es tut gut, zu wissen, dass da draußen jemand ist, der sich unsere Sorgen und Nöte anhört, usw.

    Der Einschnitt im Frühjahr hat gezeigt, dass der geradlinige Verlauf der Welt eine Illusion ist. Irgendwann kommt der Schnitt und da werden wir auch nicht danach gefragt, ob uns das passt oder nicht. Ein Virus kennt kein demokratisches Prinzip, wir haben uns da gefälligst anzupassen. Entweder wir strengen unseren Grips an oder nicht. Dem Virus ist das völlig wurscht. Wir sind es, die es in Griff bekommen wollen. 

    3 1/2 Monate Ausnahmezustand im Bildungssystem und schon geht einigen in unserem Europa das Recht auf Bildung ab. Eine populistisch schreierische Position; müsste man es doch besser wissen – wenn man es wissen wollte – dass nicht mal 3000 Kilometer von uns entfernt Lebens-Notstand herrscht. Purer Sarkasmus, denn dort haben viele gar nicht die Kraft, sich ein Bild über das zu machen, was Bildung bedeuten könnte.  Im Flüchtlingslager auf Lesbos leben Kinder, die noch nie eine Schule gesehen haben. Und nicht einmal 1.500 Kilometer entfernt, dort wo Regierungen sich um nichts als um sich selber kümmern, müssen Tausende zuerst mal schauen, überleben zu können. Sein oder nicht sein ist dort viel zu oft das existenzielle Bildungsziel. Geduldigeres Nachdenken hier bei uns wäre in vielen Dingen angebracht.

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    Wir stoßen auf gute und schlechte Nachrichten –  wir stoßen auf unterschiedliche Ausgangssituationen, wir sahen, dass es den Eltern mit den kleinen Kindern gar nicht gut ging. Die Jugendlichen, vor allem jene in der Oberschule, hatten es da schon wesentlich besser.

    Die Systeme und somit auch das Bildungssystem mussten versuchen, Ausgleich zu schaffen zwischen jenen, die es bisher schon einfacher hatten und jenen, die diesen Vorteil nicht für sich in Anspruch nehmen können. Wir haben schnell gelernt, und das war wohl etwas vom Erstaunlichsten – ein Kompliment an die Lehrer, die sich auf dieses neue Lernen eingelassen haben: Ungewohnt intensiv, digital herausfordernd, kommunikativ trotz sozialer Distanz und mit großem Unterstützungspotential.

    Wir haben gelernt, wie wir von heute auf morgen zu einer effizienten Didaktik kommen könnten.  Welche Strukturen sind schnell, gewissermaßen über Nacht, aus dem Boden zu stampfen? Wir mussten uns den Kopf darüber zerbrechen, wie es zu schaffen ist, Ungleichheiten einigermaßen zu kompensieren.  Zu überlegen galt, welche logistischen Strukturen notwendig waren, um schnelle Information, schnelle Hilfe zu ermöglichen. Fragen mussten gestellt werden, wie wir technisch, didaktisch aufgestellt sind.  Wie steht es um die Brauchbarkeit der Leadership? Auch galt zu überlegen, ob die althergebrachten Modelle noch etwas taugen.  Und nicht zuletzt: Haben wir uns genügend eingeübt ins Zuhören? ins vorsichtige Abschätzen?   Matthias Horx, vom Zukunftsinstitut Frankfurt a.M. und Wien spricht davon, dass jetzt die notwendigen Fragen gestellt werden müssen.

    Fehler und Unterlassungen in den Jahren, wo alles nach Linie gelaufen ist, wurden von einem auf den anderen Tag sichtbar. Aber jetzt kennt man diese Fragen, man sollte sie gewärtigen, daran arbeiten. Tut man es nicht, wird man beim nächsten Bruch sagen müssen: Nix gelernt.

    Die Krise ist für die einen schlimm, für andere noch schlimmer, wieder andere haben dramatisch daran zu leiden, aber wir verändern die Realität nicht, indem wir darüber wehklagen oder sie negieren. Und deshalb muss sie als Gelegenheit gesehen werden, die man nicht ungenützt verstreichen lassen darf. Den Dingen auszuweichen und zu hoffen, bald wieder zum Altgewohnten zurückzukehren, ist die denkbar schlechteste Option.

    Jan Ross und Heinrich Wefing sagen denn auch in der Zeit Nr. 37 vom 3. September: „Ein experimentierfreudiges Klima ist nicht nur das aussichtsreichste Rezept für den Sieg über das Virus, sondern auch für eine Gesellschaft, die bei Verstand bleibt.“ Und noch etwas ist ganz wichtig: Durch schwierige Situationen gut durchkommen, das bildet, macht reif, stärkt und öffnet Perspektiven, die vorher undenkbar waren.

    Matthias Horx hat anlässlich der Toblacher Gespräche 2020 von Dekonstruktionen gesprochen. Durch die Krise kommt es zu Irritationen und zur Konstruktion von Neuem. Die Dekonstruktion alter Gewohnheit und das Einlassen darauf lässt Menschlichkeit entstehn, meint Matthias Horx. Also, gehen wir’s an.

    Johann Georg alias Hansjörg Rogger

  • Ich sag ganz leise servus

    Das Tretauto war aus Blech geschnitten, rot lackiert – mein Begleiter in den jungen Jahren. Vor der Haustür ein schmaler, staubiger Weg, kein Asphalt, Platz genug für mein Tretauto. Heute hat da kein Spielzeug mehr Platz. Als Sandwich geboren, viele Male von hinten und vorne zerdrückt, aber mein rotes Auto tat immer das, was ich wollte. Meinen Zorn bekam es zu spüren, auch meine Zärtlichkeit. Es gab nur diese eine Welt, Mama, Papa, Opa und mich, eingeklemmt zwischen Bruder und Schwester. Folgsam sein war das Gebot der Zeit. Gehorsam, unterwürfig und selbstverständlich katholisch. Sonst drohe die ewige Verdammnis.

    So wurde oft genug unser kleines Gehirn auf Linie gebracht. Der Kindergarten war schön, aber das obligatorische Nachmittagsschläfchen mochte ich absolut nicht. In der Volksschule habe ich viel gelernt, sehr viel über unser schönes Land, über die Welt etwas weniger. Nicht so erfreut waren wir, wenn man uns Buben und Mädchen in der Klasse an den Haaren gezogen hat und der eine und die andere in die Ecke gehen musste, ich auch – in die Büßerecke – grauenhaft! Die Zeit verging, und die Oberschule stand vor der Tür. Im Vergleich zu heute gab es kaum eine Auswahl, und der Berufsberater hatte zwei Kriterien: Entweder du bist geeignet für diesen Typ Schule oder eben nicht. Stur nach Buch und Seiten ist man vorgegangen, Kreidetafel – mehr gab es nicht. Und den Computer gab es nur im Wörterbuch. In der vierten Klasse wollte ich nicht mehr. Die Schule war mir zuwider. Ein Lehrer nahm mich zur Seite und tat alles, um mich zu halten. Haymo hieß er. Dann kam die Matura mit 42 Punkten von 60 möglichen. Die UNI folgte, und 1977 war meine erste Unterrichtserfahrung. 20 Jahre habe ich versucht, anders zu unterrichten, anders als ich es selbst erfahren hatte. Einiges ging ganz gut, einiges ging auch schief. Ich habe vor allem aus meinen eigenen Misserfolgen gelernt. Und ich dachte mir immer: Du musst die Dinge, die du den anderen beibringen willst, herunterbrechen, und zwar so, dass sie neugierig machen, herausfordern und Freude bereiten. Die Dinge emotional begreifen lassen – das war meine größte Leidenschaft im Unterricht. Aber wie gesagt, einiges ging gut, wieder anderes ging daneben. Ab 1996 übernahm ich Schuldirektionen, zuerst die alte LEWIT Innichen, dann RG und WFO in Sterzing, danach kam die WFO in Bruneck dran und dann noch das Sozialwissenschaftliche Gymnasium und Kunstgymnasium Bruneck. Bewegt und angetrieben hat mich seit meinen jungen Jahren eine Didaktik, die offen und experimentierfreudig war und Begabten, weniger Begabten und auch solchen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehn, Lebenschancen eröffnete.

    Sollte Schule es schaffen, die Freude am Lernen, am Forschen und am Diskutieren über die Schule hinaus wachzuhalten, dann kann sie einen Teil des Erfolges für sich verbuchen.

    In meinem Abschiedsbrief an die Maturant*innen steht:

    „…….Übt euch im friedvollen Denken, nehmt mit, was euch unsere Fächer mitgegeben haben. Und derer waren es einige, die euch nicht selten die Stirn haben runzeln lassen. Wertvoll allemal: Die Humanwissenschaften auf der einen und die Kunst auf der anderen Seite, Philosophie und Religion, die Literatur unserer vier Sprachen, die Naturwissenschaften, Mathematik/

    Physik, die Musik, die Rechtswissenschaft, Geschichte, Bewegung und Sport. Sie haben euch Dinge gelehrt, die mehr sind als Prüfungsnoten. Nehmt auch mit, was euch missfallen hat und versucht, es besser zu machen. Überlasst die Welt nicht einigen radikalen Hitzköpfen. Lebt das, wofür ihr in den vergangenen Jahren gestrebt und gekämpft habt.“

    Hansjörg Rogger, es war mir eine Ehre, euch viele Jahre hindurch begleitet zu haben.

    Nach 42 Jahre im Schulbetrieb ging ich 2020 in den Ruhestand.

  • Die Welt ist zu komplex, als dass sie mit einfachen Denkmustern zu erklären ist

    Wenn die Jugend jetzt ihre Stimme erhebt, egal ob nun diese Stimme immer ehrlich gemeint ist, dann muss dies die Schule als Teil ihres Bildungsauftrages gutheißen. Gorbatschow hat vor 30 Jahren gesagt, dass die Gefahren auf jene warten, die nicht auf das Leben reagieren. Und das müssen wir unseren jungen Leuten lehren, dass nicht argumentationsloses Dagegensein die Gesellschaft weiterbringt, sondern dass sich konstruktive Lösungsalternativen in den Köpfen generieren müssen. 

    Und dazu braucht es Bildung. Bildung im Sinne von „Wachhalten flottierender Neugier, Lust am Erkennen, Freude am Schönen“, so wie dies der Philosoph Prof. Konrad Paul Liessmann fordert. Die Schule muss dabei helfen, und das geht nicht nur mit Pauken und Auswendiglernen. Wir sind schon beinahe an dem Punkt angelangt, wo wir uns Teilnahmslosigkeit nicht mehr leisten können. Wenn wir als Schule nicht genau hinhören und hinsehen, wenn wir nicht ernst nehmen, was sich um uns herum tut, dann wendet sich die Jugend von uns ab, sie verliert das Vertrauen in uns und unsere Institutionen. 

    Der Friedenspädagoge Werner Winterstein spricht das Beispiel der „global citizens“ an und plädiert für ein planetarisches Bewusstsein (Ö1,14.3.2019). Wie aber kommen wir dorthin, was müssen wir Schulen tun? Oder tun wir etwa schon genug? Allein über die Problematik zu reden, ist zwar besser als gar nichts, aber am Ende ist es doch viel zu wenig: „Am Anfang war die Tat“, sagt Goethes Faust. Und doch, Stellung beziehen dürfen, setzt die Spirale der Wertschätzung in Gang und bildet damit den Nährboden für konstruktive Beiträge, die der Gesellschaft nur gut tun können. Sich gegen extreme Maßlosigkeiten stellen, muss das Ziel von Bildung sein. 

    Und die Schule muss den Grundstock dafür legen, Autoritäten heranzuerziehen, die maßvoll und in Partizipation die Geschicke der Welt zu lenken haben werden. Die derzeitigen Spannungen und Probleme, die die jungen Leute auf die Straße treiben, sind nicht durch „precision politics“ zu lösen, sagt Sebastian Backup vom Wirtschaftsforum Davos in der Zeitschrift „Die Zeit“ Nr.10. Es braucht anders als bisher eine andere globale Architektur. Aber welche ist das? Das eigene Denken, den eigenen Zweifel wertgeschätzt zu bekommen? Ist es das? Widersprüche in sich selber entdecken, sie auszuhalten und nicht zu verleugnen? Vielleicht ist es das? 

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    Es braucht Demokratien, die ihre Kraft daraus ziehen, dass viele andere mitmachen und somit eher bereit sind, Entscheidungen mitzutragen, die ihren unmittelbaren Interessen widersprechen, sagt Sebastian Backup. Widersprüchlichkeiten im Zusammenhang mit der Umweltproblematik gibt es zuhauf. „Wir leben in Widersprüchen. Auch ich selbst“, sagt der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar in der „Zeit“ vom 14. März 2019. 

    Wohlstand und Fortschritt treiben uns immer weiter in diese Spirale hinein. Wohlstand und Fortschritt sättigen zu oft unreflektiert; es geht gut, also sorge ich mich nicht. Der europäische Flugzeugbauer Airbus beschäftigt 130.000 Mitarbeiter*innen (Die Zeit Nr.12). Es werden mehr, je mehr Flugzeuge bestellt werden, und damit werden mehr Familien ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Mehr Flugzeuge am Himmel bedeuten mehr Kerosin in der Luft, mehr Kerosin in der Luft erhöht das Risiko für das junge Leute auf die Straße gehen. Unser Denken muss die Fühler in alle Richtungen ausstrecken, sodass die Zukunft umwelt- und sozialverträglich gestaltet werden kann. Eine Denkrichtung allein ist unseriös und fahrlässig. 

    Johann Georg alias Hansjörg Rogger (Artikel veröffentlicht in der ff Südtirol, im April 2019)

  • Digitalisierung

    „Die Bereicherung der Persönlichkeit sei das eigentliche Kapital, mit dem SchülerInnen später in allen Berufen wuchern können.“ Dies schreibt Rainer Werner, Autor des Buches „Auf den Lehrer kommt es an“ in einem Essay, veröffentlicht in der Tageszeitung „Die Welt“ vom 17.2.2018. Und er zitiert den romantischen Dichter Jean Paul: „Was für die Zeit erzogen wird, das wird schlechter als die Zeit.“ Soll wohl heißen, so Rainer Werner, dass gute Bildung immer einen geistigen Überschuss, eine kleine utopische Verheißung enthalten muss.

    Dabei kommt es immer auf den an, der diesen geistigen Überschuss ermöglichen soll, auf den Menschen im Lehrer. Die Werkzeuge derer er sich bedienen kann, um den geistigen Überschuss in den Köpfen der jungen Menschen zu bewirken, ändern sich. Es sind und bleiben aber Werkzeuge. Auf sie kommt es erst in zweiter Linie an.

    Die Digitalisierung, das neueste Werkzeug, hat mit Bildung an sich nichts zu tun, mit dem geistigen Überschuss auch nichts. Der Zusammenhang könnte lediglich darin bestehen, dass durch die Digitalisierung die Inhalte, die die Bildung ausmachen, in die Breite gestreut werden. Der Zugang zu Bildungsinhalten ist demokratischer geworden, unbestritten gerechter. Damit aber nicht nur an der Oberfläche herumgetümpelt wird, damit nicht nur oberflächliche Sensationsgier befriedigt wird, damit die Chance eines interessanten Werkzeugs am Schopf gepackt wird, können Schulen abseits von SMS, WhatsApp, Instagram und Twitter die Technologie für ihre Zwecke nutzen.

    Ein Beispiel kann dies veranschaulichen. Wenn Verschwörungstheorien und falsche Nachrichten entlarvt werden sollen, wenn  uns passives Streaming und Konsumieren zu wenig ist, dann muss das Ruder selbst in die Hand genommen werden. Der Blog ist eine Möglichkeit, sagt Martin Spiewak, in der Zeit, Nr. 10/2018. 

    Seit 2016 pflegt das Sowimusikkunst-Gymnasium Bruneck Schreibblogs, in denen es um die Selbstinitiatve geht, um die Auseinandersetzung mit Sprache und darum, dass man für das, was veröffentlicht wird, die Verantwortung zu tragen hat. Dass die Betreuung solcher Blogs viele Möglichkeiten generiert, liegt auf der Hand: Erfahrungen mit der Netzetikette, Gegenpositionen zur „Schwarmdummheit“ (Martin Spiewak in: „Die Zeit“ 10/2018), die Übung in der Sprache und mit der Sprache, und nicht zuletzt die Übung in der Interaktion, abseits von Einwortsätzen und Emojis, abseits von zusammengekleistertem „Momentanwissen in Erregungszuständen“ (Spiewak, „Die Zeit“ 10/2018).

    Johann Georg (Hansjörg) Rogger/ 2018

  • Eine 2minütige Diskussion mit einer Maturantin zu ihrem Präsentationsthema / Note 10

    Was haben Märchen, Beispiel Aschenputtel, mit Dialektik, Hegel, Ying und Yang zu tun? Eigentlich gar nichts. Der Apfel ist ja auch keine Birne, oder? Stimmt! Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, die man nicht auf Teufel komm raus konstruieren oder erfinden muss. Gut und böse bei Aschenputtel, ein dialektisches Paar. Man braucht nicht lange zu suchen auf unserer Welt, man findet überall das Helle und Dunkle, das Gute und das Böse, Spruch und Widerspruch. Eine gute Frage: Was wäre, wenn es das nicht gäbe? Nur das eine und das Gegenteil dazu nicht? Die Antwort darauf gibt es nicht, da es die Welt nicht gibt, wo sich so etwas finden lässt. (Rogger.hj, Mai 2018)

  • Eröffnung des Schuljahres 2016/17, Schuldirektor Hansjörg Rogger

    Eröffnung in der Pfarrkirche Bruneck, im September 2016