Schlagwort: Einsamkeit

  • Johannis

    „Ciao Johannis, me l’hai già detto un paio di volte quando ti ho parlato qui sui ciottoli, che presto potrai operarti alla gamba, così potrai camminare di nuovo senza il tutore. Come sta andando?“ Die Frage habe ich ihm schon oft gestellt, in den vergangenen Monaten immer wieder. Wird es diesmal eine andere Antwort geben?

    Wie fast jeden Tag um diese Zeit – es ist kurz vor elf Uhr vormittags – sitzt Johannis am Rand des mit Porphyrsteinen gepflasterten Weges. Seinen Hut hält er den vorbeigehenden Stadtbesuchern entgegen und bedankt sich auch bei jenen, die nichts hineinwerfen. Seine Haltung ist bescheiden, seine Gesten freundlich.

    Johannis versteht mich nicht sofort. Ich beuge mich nach vorne und wiederhole meine Worte.

    Er ist Rumäne, spricht ein wenig Italienisch, genug, um sich verständlich zu machen. Sein linkes Bein ist geschient, eine sichtbare Erinnerung an das, was ihn hierhergebracht hat – oder vielleicht eine Hoffnung auf das, was ihn wieder fortbringen könnte.

    „La gamba è ancora ingessata, purtroppo è ancora cosi“, bestätigt er knapp, doch seine Aufmerksamkeit kehrt schnell zu den vorbeigehenden Passanten zurück. Die Zeit drängt, jeder Moment könnte eine Münze bedeuten.

    Dann, fast beiläufig, fügt er hinzu: „Abito a Issing, da un amico.“ Ein Freund gibt ihm ein Dach über dem Kopf. Doch seine Zukunft? Noch immer ungewiss. „Tra circa un’ora il mio amico di Issing verrà a prendermi qui e mi porterà a casa sua. Domani sarò di nuovo qui con il mio berretto.”

    Ich ziehe ein paar Euro aus meiner Tasche, lasse sie in seinen Hut fallen. „Comprati qualcosa da mangiare“, sage ich.

    Seine Antwort ist dieselbe wie immer: „Ciao e grazie.“ Ein kurzes Lächeln, eine Hand zum Gruß.

    Morgen wird er wieder hier sitzen. Wie jeden Tag um diese Zeit.

    Hansjörg Rogger