Wenn es die Hölle tatsächlich gibt – jene feurige Drohkulisse, mit der man uns als Kinder das Fürchten lehrte –, dann werden dort wohl jene als erste schmoren, die mit salbungsvollen Worten und frommer Miene Hexen verbrannten, Kinder quälten und schändeten, Ketzer verfolgten und mordeten. Es gibt ein Buch, das Kriminalgeschichte des Christentums heißt – man lese es und staune, oder besser: erschaudere.
Warum ausgerechnet die Kirche das Heil bringen soll, habe ich nie verstanden. Ich wusste es nicht – und keiner dieser schwarzgewandeten Herren hat es mir je vorgelebt. Ihre glattpolierten Sonntagsreden, die gefalteten Hände, das feierliche Getue – all das erschien mir schon als Kind wie ein hohles Ritual, ein Schauspiel ohne Seele.
Wie oft bin ich nach endlosen Messen, monoton gemurmelten Rosenkränzen, feierlich dahinziehenden Prozessionen und stockfinsteren Sitzungen im Beichtstuhl in mein Zimmer geflüchtet – die Wut wie eine brodelnde Brühe in mir, dicht unter dem Deckel. Für einen Ausbruch fehlte mir der Mut, wie so oft. Also schwieg ich. Aber in mir tobte es, kochte, drängte – wie heißes Wasser, eingesperrt im Topf, kurz vor dem Überlaufen.
Hansjörg Rogger