Passen Sie bitte auf Europa auf – offener Brief an den EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann

Es gibt seit geraumer Zeit Kräfte in der EU, die zwar das Recht in Anspruch nehmen, Europas Budget zu beanspruchen, aber sich um die vertraglichen Punkte wenig kümmern. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie scheinen plötzlich verhandelbar geworden zu sein. Der ungarische Ministerpräsident Herr Orban sagt: „Es gibt die Einheit der Werte nicht……“ und „…die europäische Demokratie sei wieder herzustellen.“ Da wird augenscheinlich ein Umdeutungsprozess provoziert. Was dann, wenn dieser Umdeutungswille hoffähig wird? Was dann, wenn die weit rechts stehenden Parteien irgendwann das Sagen haben werden? Wenn Recht und Ordnung umgedeutet werden? Wenn das was bisher gut war, schlecht, das Schlechte aber als das Gute verkauft wird? Wer auch immer uns davor behüten kann, der tue es!

„ˋUm die europäische Demokratie wieder herzustellenˋ (Zitat Orban) will er das Europaparlament entmachten und die Rolle der nationalen Parlamente sowie der Regierungschefs stärken“, schreibt Matthias Krupa in der Zeit vom 1.Juli 2021. 

Europa sollte sich einer Wertegemeinschaft verpflichtet fühlen. Das lassen uns Europas Vertreter wissen. Beispiel Pressefreiheit. Orban sagt, dass jeder seine eigene Wahrheit haben soll. Also nichts mehr mit Pressefreiheit, wie sie die EU zu definieren gewohnt ist. Und die Rechtsstaatlichkeit: „Auch diese werde national unterschiedlich definiert und sei nichts, worüber die EU zu entscheiden habe.“ (Matthias Krupa, in der Zeit vom 21. Juli 2021) Herr Orban will somit die Deutungshoheit für sich reklamieren. Wenn Herr Putin in Russland oder Herr Lukaschenko in Belarus auf ihrer Deutungshoheit beharren, dann ist das eine Sache, wenn aber ein Mitglied einer vordefinierten Wertegemeinschaft sagt, seine Vorstellung von Demokratie sei nicht das, was die EU gerade praktiziere, dann ist das eine andere Geschichte. Die Deutung in einer Union an sich reißen zu wollen, bedeutet Vertragsbruch. 

Als die Ungarn um die Integration in die EU gebettelt hatten, dann musste ihnen klar sein, auf was sie sich einlassen wollen. Wenn Herr Orban sich nicht mehr an den Vertrag gebunden fühlt, dann, so der niederländische Premier Rutte, soll der EU-Austritt in Betracht gezogen werden. Genauso funktioniert ein Ehevertrag. Hält man sich nicht mehr an das, was ausgemacht wurde, dann kommt es zur Scheidung. Es ist dies ganz einfach und kann im Vertragsrecht nachgelesen werden. Und noch etwas: Es war erfrischend zu hören, dass endlich, neben Premier Mark Rutte und dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn auch Frau Von der Leyen Klartext gesprochen haben. Von der Leyen sprach von Schande im Zusammenhang mit dem Gesetz, das Kinder vor nicht heterosexuellen Tendenzen schützen soll. Positionen klar darlegen, ohne diplomatische Höflichkeitsfloskeln, das braucht Europa – ganz dringend. 

Es ist sehr interessant, dass diejenigen Herren, die im eigenen Land die öffentliche Meinung auf Regierungs- bzw. Parteilinie bringen wollen, aber in Europa und von Europa den Pluralismus für sich reklamieren. Scheint den Herren wohl noch nicht aufgefallen zu sein.

Bitte erheben Sie laut Ihre Stimme für ein liberales Europa. Entgegengesetzte Tendenzen dürfen sich nicht zum Mainstream entwickeln. Das wäre wohl der Todesstoß für das Europa, das ich zu schätzen gelernt habe. Und noch etwas: der Pluralismus darf nicht dazu missbraucht werden, alles umdeuten zu dürfen. Die Deutung der Werte darf auch in Zukunft nicht extremen und nationalistischen Ideologien überlassen werden. 

Rogger Johann Georg (Hansjörg), Publizist