Leserbrief an die ZEIT zum Artikel von Wladimir Putin: „Offen sein, trotz der Vergangenheit“

Herr Putin bekommt in der freien Presse ein Forum. Eine bemerkenswerte Stärke der ZEIT. Im eigenen Land gibt es fast nur mehr ihn, der vorgibt, was die wahre und falsche Lesart ist, was sich gehört und nicht gehört. „Wir sind für ein faires und kreatives Zusammenarbeiten“, schreibt Putin. Sehr zynisch! Und Europa hätte gemeinsam mit den USA die Spaltung innerhalb der Ukraine provoziert, noch zynischer. Der Austritt der Krim aus dem ukrainischen Staat sei die Folge davon. Ich weiß nicht, ob das zum Lachen oder zum Weinen ist. Was wird die nächste Provokation sein, die er entdecken will, um seine Lesart der Welt zu verkaufen? Ich bin froh und glücklich, in der freien Welt leben zu können und nicht unter der Lesart eines Mannes, der die demokratischen Regeln dreht und wendet, wie sie ihm gerade passen. Die Umarmung der Herren in Syrien und Belarus? Auch aufgrund einer Provokation Europas? Und der Abschuss des Flugzeuges über der Ostukraine? Auch das als Folge einer Provokation des Westens? Und die Giftanschläge? Bedauernswerter Herr Putin. 

Hans-Jörg Rogger, Publizist

Lieber Herr Rogger,

haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief! Auf den ich Ihnen, als Leiter des ZEIT-Ressorts STREIT, sehr gerne persönlich antworten möchte.

Wie Sie vermuten werden, haben wir eine große Zahl an Zuschriften auf den Abdruck des Textes von Wladimir Putin hin erhalten. Insgesamt ist eine erfreulich offene und anregende Debatte erwachsen, die ja im Gastbeitrag des litauischen Präsidenten, der eine Erwiderung geschrieben hat, ihren Höhepunkt hatte.

Ich danke Ihnen in jedem Fall für Ihre Gedanken. In den Zuschriften der Leserinnen und Leser spiegeln sich insbesondere die vielen, verschiedenen Blicke auf Russland wieder. Ihre Zeilen habe ich genau zur Kenntnis genommen. Und auch wenn ich nicht alles teile, freue ich mich doch, nochmals, dass Sie sich an uns gewandt haben!

Bleiben Sie uns gewogen!
Mit herzlichem Gruß
Ihr Martin Machowecz

Das war im Juli 2021, ein halbes Jahr vor dem Angriff der Russen auf die Ukraine. Kurz nach dem Beginn des Angriffs am 24.2.2022 teilte die Zeit mit, dass es in Zukunft ein no Go sein muss, einem Angreifer ein Forum in der Zeit zu bieten. (Anmerkung: 7 Jahre vor Putins Beitrag in der Zeit hat sich der Kreml die Krim einverleibt. Trotzdem durfte er in der freien Presse schreiben. Ein halbes Jahr nach dem Forum in der Zeit begann er noch gewalttätiger zuzuschlagen.