Mein leben – Meine Kunst – Seiwald

Die Kunst fasziniert, und nicht nur. Die Suche nach dem Stückchen Wahrheit, nach der Vision einer Welt, dessen Erinnerungen verloren zu gehen scheinen. Wild verwoben mit dem Forschergeist – erdverbunden. Und die Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält. „Schau alle Wirkenskraft und Samen und tu nicht mehr in Worten kramen.“ Goethe fällt mir ein, während ich zuhöre und staune.

Ich giere nach dem Entdecken dessen, was ich mir vorgestellt hatte, dass es so sein könnte. Die Werkstatt – ein sonnengewärmtes Paradies, der Traubenlaubengang – hinauf in den Garten. Der große Tisch in der Mitte, die vielen Stellagen und Nischen an der Seite. Buddha steht im Garten neben Sonnenblumen, Rebstöcken und Farngräsern. Die Fassade mit den vielen schräg montierten Fenstern – ungewöhnlich. Ein sonnendurchflutetes Haus, von unten bis hinauf zum First.

Die Schatullen mit Pinseln, Sprühdosen, ein altes Telefon, Schraubstock, Klebebänder, Stifte, Bilder, Kartone über Kartone, Leinwände, Gitarre und eine Trommel – sie erinnern mich an das farbige Hören und die Visualisierung von Tönen in Farbe. Und am Boden die schwarze Pflanzenerde. 

Positive, weltzugewandte Visionen einer Seele. Nicht intendiert, als er damit an der Leinwand begann. „Ich weiß nicht, was da draus wird, wenn ich male.“ sagt er. Da entstehen plötzlich Bäume, oder auch nicht, filigrane Muster, Farbschichten und Formen. Farben und Formen verbinden sich, lassen Deutungen vermuten, verwischen diese wieder und werden belanglos in ihrer Isolation und bedeutungsstark in ihrer Synergie. Interpretationen wären gekünstelt und aufgezwungen. Sie sind offen. Meine Gedanken aber entspringen meiner Welt, die mit der seinen kaum oder gar nicht vergleichbar sind. Sie interpretieren aus der eigenen Geschichte heraus, motiviert durch gute und schlechte Erfahrungen, durch die spitzen und weniger spitzen Punkte im Leben. Wie Keramikpits aufgedröselt auf einer Kette. Jedes Pit eine Geschichte, wiedererwacht und hineingetragen ins Bild. Ein Zurückerinnern, ein Gewahrwerden, ein Vergleichen, ein freudiges und weniger freudiges Nachdenken über sich selbst und die Welt. Es ist nicht meine Welt dort auf dem Bild. Es ist die seine. Wenn ich dabei verweile – schaue und nicht nur sehe – dann wird es ein bisschen auch die meine sein. „Ich male mir meine Welt“ sagte der deutsche Maler Gerhard Richter. Die Abstraktion lässt vieles offen. Wenn die Nichtgegenständlichkeit mit den Farben und Formen gefällt oder nicht gefällt, dann dominiert die Ästhetik, meine Ästhetik, mein Interesse an den Formen und Farben und mein Interesse hinter alledem. Ich spinne meine Wünsche, meine Ängste und Sorgen wie in einer Spirale nach oben, verweile, ziehe Vergleiche und finde mich in einer Katharsis wieder. 

„Ich Male und arbeite nicht aus depressiven Verstimmungen heraus“, sagte er, und ich dachte an den Sternenstaub, Acryl auf Leinwand, Louis Seiwald 2022. Und dann „die Seele“ ein Seiwald Acryl 2015. Leinwand 120×120. 

Ich stehe vor der „Seele“, denke nach. Und ich male mir meine eigene Seele – im Kopf – genährt durch das, was ich selber bin. Unten die feinen Fäden, Nervenstränge? Vielleicht? Herzschlag unserer Träume, Sehnsüchte, Vorlieben, Leidenschaften und Ängste. Konnex mit dem, was tief in uns drinnen sein mag und uns und unseren Weg entscheidend mitprägen wird. „Wenn Natur dich unterweist, dann geht die Seelenkraft dir auf.“, liest man bei Goethe. „Auf der untersten Sprosse der Leiter“ so Albert Camus „gewinnt der Himmel seinen ungeschmälerten Sinn, er ist eine köstliche Gnade. Sommernächte, unerforschte Geheimnisse, in denen Sterne aufsprühten.“ Und schon bin ich beim „Sternenstaub“. 

„Glückselig also ist ein Leben, welches mit seiner Natur in Einklang steht.“ Seneca. Wenn man Seiwald zuhört, dann spürt man den Wunsch und das Streben nach einem solchen Einklang. Wenn man einen Blick in seine Werkstatt tut, dann drängen sich ebensolche Fragen auf. Da stehen nicht die Leitsätze an den Wänden geschrieben, sie liegen auf der Werkbank und am Boden. Sie stehen an den Staffeleien, hängen an den Wänden und liegen schön geordnet in den Schubläden. Und gleich beim Eintreten begegnet man den Planet Drums. Öfters schon in Ausstellungen entdeckt. Wenn Texte rund um den Planet kreisen, dann vielleicht als Performance gedacht, oder auch gedacht als der Planet, der ein Ordnungsriese unserer wertvollen Gedanken sein möchte. Ein schöner Platz dafür in der Kunstwerkstatt, neben Tontellern und Tontassen. Und neben dem Bild der Künstlerin Barbara. Auf einem dieser Drums, Zoderers Gedicht eingraviert: „Meine Nacht blutet nicht mehr………“ 

Johann Georg (Hansjörg) Rogger