Fallbeispiel am 24.3.2024, 18.30 Uhr bis…….. Zugbahnhof Bruneck: Der Zug Richtung Lienz fällt aufgrund von Unwetterschäden aus. Es warten geschätzte 500 Fahrgäste auf Informationen. Diese kommen bruchstückhaft über die Lautsprecher. Zu leise, zu widersprüchlich. Verstehen kann man davon wenig bis gar nichts. Ich versuche, die Frau hinter der Glasscheibe anzusprechen. Ihre Antwort kommt von hinter der Scheibe über Lautsprecher nach vorne. Tonrückkoppelung mit einem lauten Pfeifton. Ich kann nur soviel verstehen, dass sie nichts zu sagen weiß. Sie bemüht sich mit allem was sie zur Verfügung hat, mit Lautsprecher, ohne Lautsprecher, mit ihren Händen auch. Ich halte das Ohr an den Schlitz, der eigentlich dem Einschub des Bahntickets dient.
Dann kann ich vernehmen, dass gar nichts mehr geht. Weder in nördlicher noch in südlicher Richtung. Vielleicht zwischen 21.00 Uhr und 21.30 Uhr ein Bus, kann sein, vielleicht. Das hat man ihr am Telefon gesagt. Zur Bestätigung, dass ich es richtig verstanden habe, zeige ich ihr meine neun Finger für 21.00 Uhr. Sie nickt und setzt sich wieder an ihr Telefon. „Die Arme“, denke ich mir. Es pfeift vom Lautsprecher, unerträglich laut. Und dann in kontinuierlichen Abständen die Durchsage von einer sehr schlechten Maschine über noch schlechtere Lautsprecher, völlig aus dem Zusammenhang gerissen: „……..es ist verboten, die Türen zu öffnen, bevor der Zug hält…“ Endlosschleife über Stunden.
Abspann: Dass es plötzlich aus allen Himmeln schneit und wie wild stürmt und dass die Infrastrukturen dem kaum standzuhalten imstande sind, ist nachvollziehbar und mit Ruhe zu ertragen. Nicht nachvollziehbar ist es, warum das Konfliktmanagement in den vielen Jahren herauf nicht Schritt zu halten imstande war und erbärmlich versagt. 500 Fahrgäste warten auf Informationen, warten auf mehr, als dass die Weiterfahrt aufgrund eines technischen Problems nicht mehr fortgesetzt werden kann. Informationsmanagement gibt es keines. Dafür genervte Gäste, die an den unbeantworteten Fragen ihren Ärger aufstauen. Nach einer halben Stunde lässt die Dame, die mir vorher noch bereitwillig gesagt hat, was sie zu sagen wusste, den Rastervorhang herunter. Anzunehmen, dass sie es leid war, immer dasselbe und fast nichts sagen zu können. Mir tat sie leid, einem neben mir stehenden Fahrgast merklich auch.
20.28 Uhr: „……Il treno per San Candidio è in arrivo invece che al binario uno al binario tre…” Viele laufen zum Bahnsteig drei.
20.35 Uhr, nur sieben Minuten später: “…..Il treno per San Candido oggi non si sta effettuando…..” Wir laufen, fast alle schon im Schritttempo, zum Bahnhof zurück. Ein englischer Rucksacktourist, sehr ruhig und gelassen: „The problem is not the outages. The storms do not ask us whether we want them or not. But the mismanagement of the crisis is shameful for this tourist region.“
Und weiterhin die zynischen Durchsagen in Endlosschleifen. Neben mir sitzt eine Mama mit ihrem kleinen Sohn. Sie möchten heute noch nach Rom weiterfahren. Es ist 21.30 Uhr. Mein Busersatz fährt vor. Ich verabschiede mich von der Mama mit dem kleinen Sohn. Rom ist noch weit.
Hansjörg Rogger / niedergeschrieben am 23.3.24 von 18.30 Uhr bis 21.30 Uhr.