
Wildbad Innichen, 1994, Friedl Janach

Bodensee-Tribüne, 1991, Friedl Janach

Recherchen über Friedls Vater, Dornbirn, 1996
Kürzlich stellte er sich vor als der „alte Mann und das Gebirge“. Dies erinnert an Hemingways Roman „Der alte Mann und das Meer“. Doch was folgt, ist kein epischer Kampf mit der Natur, sondern eine stille Auseinandersetzung mit Sprache und Welt. Kurze, scharf geschnittene Sätze und Satzteile, spitze Wortsplitter mit ironischem Blick auf die Welt.
Oft sind es rätselhafte Bilder. Ein Leben, das nicht in Chronologien aufgeht, sondern in Gedankenfragmenten, in Wortspielen, die sich wie Karusselle drehen: kreisend, schwindelerregend, manchmal abrupt endend. Und die literarisch verdichteten Gedanken stehen da, ohne Interpunktionen. Der Leser muss den Rhythmus selber herausfinden. Wo ist der Punkt zu setzen, wo der Beistrich, welche Pause macht Sinn, welche geht gar nicht. Manchmal nicht ganz einfach, aber die Anstrengung lohnt sich. Einfacher ist es da schon, wenn man dem Friedl zuhören kann.
Doch bei aller Verspieltheit bleibt ein Ernst: die Suche nach dem Menschen in einer Gegenwart, die ihn zu überdecken scheint. Das Gedicht „Spuren im Sand“ macht das deutlich:
//spuren im sand / horizontal / und hin zum wasser / vertikal / und hin zu den liegestühlen / die unzähligen sohlen / drücken die nummern nicht ab / numeriert und sichtbar / nur liegestühle und sonnenschirme / spuren im sand / du kannst den weg hin zum meer / nie verfehlen / wohl aber, wenn du einen menschen suchen möchtest//
Den epischen Kampf um die Rechte der Natur sucht man in seinen Texten vergeblich. Doch der Kampf ist – unüberhörbar. Mit expressiven Einwort-Bildern nennt er die Dinge beim Namen und zieht die Leser in sein ironisches Spiel hinein:
//atem-not / pasticceria / ice-cream / eisige zeiten / dunst / in der zuckersüßen / provinz//
Sieben Zeilen genügen Friedl, um eine Welt aufzuspannen: Atemnot und Eiszeit gegen Pasticceria und Eiscreme, süße Verlockung gegen düsteren Dunst. Die Provinz wird hier nicht als idyllischer Ort gezeichnet, sondern als erstickend süß, zuckrig überzogen – ein Bild für eine Gesellschaft, die Genuss predigt und Enge produziert.
Friedls Miniatur – 1990 geschrieben – klingt wie ein Vorgriff auf die Gegenwart: auf eine Gesellschaft, die sich mit Konsum und Zuckerwerk betäubt, während sie im Innersten an Atemnot leidet.
Dass sich Friedl auch an der Idylle oder besser gesagt an der Schönheit erfreuen kann, schreibt er mir in einem Brief 1991 vom Bodensee:
//freitrebendes Geäst, winterlich fast frühlingshaft / seegeschwader im entenzug über die ruhige see / möwenversammlung standhaft im gleichförmigen weiß / aus erwärmten federn erröten langgezogene schnäbel / nur eine fette taube scheut nicht mein vorbeigehen…../ slavisches arbeitervolk spaziert friedvoll die mole entlang / ruhiger trägt der see am bodengrund ihre gedanken / aufgeschreckt bin ich vom möwengeschatter / welches raubend sich einen bissen ergattert / erschlafft ist die bühne am see / ergraut das gebälk / die pfähle halten verspielte zeit im wasser fest / wortlose fotografie in der ständig künstlich wechselnden arena….//
Es sind in Worte gefasste Bilder. Friedls Blick bleibt präzise, aber nie idyllisch verklärt. Schönheit zeigt sich bei ihm stets im Bewusstsein ihrer Vergänglichkeit.
Eine bewegte Kindheit schildert Friedl in seinen Erinnerungen „Der Ungenummne“ Seinen Vater hat er nie kennengelernt:
//1944 endete ein letztes Lebenszeichen unseres vermissten Vaters in Russland //
Die Bomben und die Not zwangen Friedl und seine Familie dazu, sich immer wieder umzusiedeln. Von Innsbruck nach Seefeld, dann über den Brenner nach Sand in Taufers:
//umgeben von eingegrenzten wiesen und feldern / umzäuntes hofleben mit bestimmenden bauern / zu fremden zieheltern kam ein vaterloses kind als ersatz der kinderlosen / in notsituation seiner mutter als der vater in den Krieg zog und vom russischen schlachtfeld nicht mehr nach hause kam / das vermisste blieb immer erhalten er nahm es mit an den hof / als angenommener wurde er aufgenommen mit fremden namen als das erhardmoar-Friedele //
Friedl hat immer Freud und Leid in seinen Texten festgehalten:
//der angenommene hatte als leihkind seine schuldigkeit getan / der mohr konnte gehn als der ziehonkel im sterben lag als der legale erbe den streitbaren hof übernahm mit lautstarkem anspruch: „Alles tote und lebende Erbe gehört jetzt mir..“ / dem angenommenen blieb das geworfene da-sein //
Friedl musste gehn und darauf folgten wieder bewegte Jahre: Abendlehrerbildungsanstalt in Bruneck und Brixen, die 60er Jahre in Frankfurt und:
// zurückgekehrt ins Land des Gebirges / hochgestiegen zu einklassigen Bergschulen….hinuntergestiegen zur stadtschule…../ letzte unterrichtsjahre als grenzschullehrer….in überregionaler Diaspora / entlang des dolomitengesteins / im priviligierten ruhestand//
Friedl definiert sich als Grenzgänger, er sprengt Konventionen und fügt sie wieder so zusammen, wie es ihm passt. Er ist ein Gedanken- und Wortzerstückler, er ringt nach Bedeutung und findet diese oft in der Entzauberung, die nicht selten eine zärtlich-aggressive Melancholie mitschwingen lässt. Friedl ist ein Träumer zwischen den Ruinen im Wildbad und gleichzeitig ein Kritiker neureicher Tirolerklischees und von Tiroler Engstirnigkeit.
Gedanken von Hansjörg Rogger
Die Verszeilen sind mit / voneinander abgetrennt, der Anfang und das Ende des Textes sind mit // gekennzeichnet.