Ich sag ganz leise servus

Das Tretauto war aus Blech geschnitten, rot lackiert – mein Begleiter in den jungen Jahren. Vor der Haustür ein schmaler, staubiger Weg, kein Asphalt, Platz genug für mein Tretauto. Heute hat da kein Spielzeug mehr Platz. Als Sandwich geboren, viele Male von hinten und vorne zerdrückt, aber mein rotes Auto tat immer das, was ich wollte. Meinen Zorn bekam es zu spüren, auch meine Zärtlichkeit. Es gab nur diese eine Welt, Mama, Papa, Opa und mich, eingeklemmt zwischen Bruder und Schwester. Folgsam sein war das Gebot der Zeit. Gehorsam, unterwürfig und selbstverständlich katholisch. Sonst drohe die ewige Verdammnis.

So wurde oft genug unser kleines Gehirn auf Linie gebracht. Der Kindergarten war schön, aber das obligatorische Nachmittagsschläfchen mochte ich absolut nicht. In der Volksschule habe ich viel gelernt, sehr viel über unser schönes Land, über die Welt etwas weniger. Nicht so erfreut waren wir, wenn man uns Buben und Mädchen in der Klasse an den Haaren gezogen hat und der eine und die andere in die Ecke gehen musste, ich auch – in die Büßerecke – grauenhaft! Die Zeit verging, und die Oberschule stand vor der Tür. Im Vergleich zu heute gab es kaum eine Auswahl, und der Berufsberater hatte zwei Kriterien: Entweder du bist geeignet für diesen Typ Schule oder eben nicht. Stur nach Buch und Seiten ist man vorgegangen, Kreidetafel – mehr gab es nicht. Und den Computer gab es nur im Wörterbuch. In der vierten Klasse wollte ich nicht mehr. Die Schule war mir zuwider. Ein Lehrer nahm mich zur Seite und tat alles, um mich zu halten. Haymo hieß er. Dann kam die Matura mit 42 Punkten von 60 möglichen. Die UNI folgte, und 1977 war meine erste Unterrichtserfahrung. 20 Jahre habe ich versucht, anders zu unterrichten, anders als ich es selbst erfahren hatte. Einiges ging ganz gut, einiges ging auch schief. Ich habe vor allem aus meinen eigenen Misserfolgen gelernt. Und ich dachte mir immer: Du musst die Dinge, die du den anderen beibringen willst, herunterbrechen, und zwar so, dass sie neugierig machen, herausfordern und Freude bereiten. Die Dinge emotional begreifen lassen – das war meine größte Leidenschaft im Unterricht. Aber wie gesagt, einiges ging gut, wieder anderes ging daneben. Ab 1996 übernahm ich Schuldirektionen, zuerst die alte LEWIT Innichen, dann RG und WFO in Sterzing, danach kam die WFO in Bruneck dran und dann noch das Sozialwissenschaftliche Gymnasium und Kunstgymnasium Bruneck. Bewegt und angetrieben hat mich seit meinen jungen Jahren eine Didaktik, die offen und experimentierfreudig war und Begabten, weniger Begabten und auch solchen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehn, Lebenschancen eröffnete.

Sollte Schule es schaffen, die Freude am Lernen, am Forschen und am Diskutieren über die Schule hinaus wachzuhalten, dann kann sie einen Teil des Erfolges für sich verbuchen.

In meinem Abschiedsbrief an die Maturant*innen steht:

„…….Übt euch im friedvollen Denken, nehmt mit, was euch unsere Fächer mitgegeben haben. Und derer waren es einige, die euch nicht selten die Stirn haben runzeln lassen. Wertvoll allemal: Die Humanwissenschaften auf der einen und die Kunst auf der anderen Seite, Philosophie und Religion, die Literatur unserer vier Sprachen, die Naturwissenschaften, Mathematik/

Physik, die Musik, die Rechtswissenschaft, Geschichte, Bewegung und Sport. Sie haben euch Dinge gelehrt, die mehr sind als Prüfungsnoten. Nehmt auch mit, was euch missfallen hat und versucht, es besser zu machen. Überlasst die Welt nicht einigen radikalen Hitzköpfen. Lebt das, wofür ihr in den vergangenen Jahren gestrebt und gekämpft habt.“

Hansjörg Rogger, es war mir eine Ehre, euch viele Jahre hindurch begleitet zu haben.

Nach 42 Jahre im Schulbetrieb ging ich 2020 in den Ruhestand.